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Premiere aus dem Reich der Mitte

Erstmals hat es ein Lkw aus chinesischer Produktion auf die Shortlist zur Wahl des International Truck of the Year geschafft. Wir haben den lautlosen Sany e435 bereits getestet.

Sany? Ein Crashkurs. In Europa ließ Sany Heavy Industries erstmals 2012 aufhorchen, als das deutsche Traditionsunternehmen Putzmeister übernommen wurde. Damit stieg Sany auch zum weltgrößten Produzenten von Betonpumpen auf. Mit Christoph Kaml ist ausgerechnet ein Österreicher CEO von Putzmeister. Wobei dies kein Zufall ist. Kaml kommt von Palfinger, an dem Sany von 2013 bis 2021 beteiligt war. „Sany ist der größte chinesische Baumaschinenhersteller und weltweit bereits die Nummer 3. 2019 wurde mit dem e410 eMixer, der erste Lkw präsentiert. Wind-, Solar- und Wasserstoffenergie runden das Portfolio ab“, gibt Kaml einen kurzen Einblick in die Geschäftsfelder des 20 Mrd. Dollar Unternehmens.

2023 führt Sany die erste Generation seines 8x4 eChassis auch in Europa ein. „Weltweit gesehen ist Sany mit Abstand die Nummer 1 bei E-Lkw mit mehr als 30.000 aktiven Lkw im täglichen Einsatz“, unterstreicht Kaml die Elektrokompetenz. Damit ist aber noch lange nicht Schluss. Die neue SANY-Fabrik im chinesischen Changsha ist auf 300.000 Lkw Jahresproduktion ausgelegt. 

Der SANY e435

Wer vor dem neuen SANY e435 steht, sieht zunächst einen modernen Bau-Lkw: 8x4-Fahrgestell, hoher Rahmen, robuste Kotflügel – ein ganz normaler Vierachser für Mischer, Kipper oder Hakenlift. Erst der fehlende Auspuff und die blauen eTruck-Logos verraten: Hier arbeitet kein Diesel mehr, sondern ein zentraler E-Antrieb mit 350-kWh-LFP-Batterie.

Die Typenlogik ist simpel: „e“ steht für elektrisch, „4“ für die vier Achsen, „35“ für die 350-kWh-Batterie – ganz im Sinne der klaren Produktstrategie, die SANY in seiner europäischen Keynote präsentiert. In der Mitte des Rahmens sitzt ein Permanentmagnet-Synchronmotor mit 270 kW Nenn- und 405 kW Spitzenleistung, gekoppelt an ein 4-Gang-Automatikgetriebe. Laut Entwicklungsdaten liegt der typische Verbrauch im Baustellenbetrieb bei nur 1,1 bis 1,3 kWh pro Kilometer – und das bei Offroad-Bedingungen. Wobei die Kilometerleistung bei einem Betonmischer ohnedies nicht maßgeblich ist. 

Generation 2

Während die erste Generation noch sehr einfach ausfällt, merkt man hier beim Einsteigen sofort, dass wir es mit der zweiten Generation zu tun haben. Die Kabine wurde komplett überarbeitet: mehr Platz, ansprechende Sitze, Luftfederung, digitaler Instrumententräger plus großer Zentralbildschirm, Lenkrad- und Sitzheizung, Kühlschrank und beinahe flacher Boden mit kleinem „Motortunnel“. Kevin Eichele, Head of Business Development SANY eTrucks, fasst den Anspruch in seiner Präsentation mit dem Claim „Transformation made affordable“ zusammen und betont, dass man den Fahrer dabei bewusst in den Mittelpunkt gestellt habe.

Erster Fahreindruck

Auf der ersten Testfahrt in der Nähe von Stuttgart zeigt der e435 schnell, wofür ein zentrales E-Aggregat gut ist. Schon beim Anfahren mit teilbeladener Putzmeister iOntron Trommel zieht der Vierachser sauber und gleichmäßig los. Das 4-Gang-Automatikgetriebe schaltet früh und aktuell noch spürbar, aber sauber. Definitiv Feintuning kann die Bremse vertragen, die stets einen recht digitalen Eindruck hinterlässt. Hier würde man sich gerade bei langsamer Fahrt mehr Gefühl wünschen. Ausgezeichnet funktioniert dafür die in vier Stufen einstellbare Rekuperation. Hier bremst der e435 spürbar über den E-Motor, sodass man auf der Landstraße und im Stadtverkehr ohnehin meistens nur noch mit dem rechten Pedal fahren wird.

Echter Offroader

Auf der abgesperrten Baustellenrunde kann der SANY seine Qualitäten zeigen: 350 Millimeter Bodenfreiheit, 26° Böschungswinkel vorn und 30° Rampenwinkel geben reichlich Reserven. Die flexiblen untersten Trittstufen klappen bei Feindkontakt weg und der glatte Stoßfänger sitzt so hoch, dass keine Gefahr besteht. Die optionale Luftfederung an der Hinterachse hält den SANY im Zaum, die Lenkung ist ausreichend direkt.

Beim Thema Sicherheit fährt der e435 auf Augenhöhe mit modernen Fernverkehrs-Lkw. EBS, ESC, ISA, Spurhalte- und Totwinkelassistent, Müdigkeitswarnsystem, Fußgänger- und Radfahrerwarner, Rückfahr- und 360°-Kamerasystem – die Liste der Assistenten liest sich naturgemäß wie ein Auszug aus der GSR-2-Verordnung.

Bewährte Basis

Der neue Sany e435 kann auf einen großen Erfahrungsschatz aufbauen. Bereits seit 2022 rollen 8x4-eChassis mit Putzmeister-Mischeraufbauten durch Europa – rund 150 Fahrzeuge sind inzwischen in mehr als 15 Ländern im täglichen Einsatz. Über 8,5 Millionen Kilometer, rund 330.000 Baustelleneinsätze und etwa 2,31 Millionen Kubikmeter transportierter Beton zwischen Januar 2023 und März 2025. Die typische Tagesleistung liegt bei 129 Kilometern, der durchschnittliche Weg zur Baustelle bei 14,5 Kilometern – geladen wird überwiegend nachts im Depot mit rund 40 kW über sieben Stunden. „Diese echten Felddaten aus Europa sind Gold wert“, unterstreicht Eichele. „Sie zeigen, dass unsere E-Baustellenlogistik nicht nur auf dem Papier funktioniert.“

Dual Gun Charging

Die 350-kWh-LFP-Batterie stammt von CATL und arbeitet in einer 600-Volt-Architektur. Bis zu 95 Prozent der Kapazität (332 kWh) sind nutzbar; fällt der Ladezustand unter rund sieben Prozent, bleibt beim eMixer noch ausreichend Energie für den Nebenantrieb, um die Trommel im Notfall noch zu leeren – ein wichtiges Detail für den Baustellenalltag.

Spannend ist die Lade-Infrastruktur: Auf beiden Fahrzeugseiten sitzen CCS-Anschlüsse, die entweder einzeln mit bis zu 250 kW oder – als sogenanntes „Dual Gun Charging“ – gleichzeitig von zwei Ladern auch mit unterschiedlicher Leistung gespeist werden können. Ein Praxisbeispiel: Zwei 125-kW-Lader links und rechts ergeben zusammen die maximale Leistung von 250 kW. Dann dauert der Sprung von 20 auf 100 Prozent SoC rund 70 Minuten.

Vertrieb über Putzmeister

Für Europa rollt der e435 unter dem Label „SANY eTrucks supported by Putzmeister“ an. Putzmeister bringt nicht nur jahrzehntelange Erfahrung mit Betonpumpen und Mischtechnik mit, sondern auch ein etabliertes Vertriebs- und Logistiknetz mit acht Produktionsstandorten, 16 Tochtergesellschaften und einem engmaschigen Ersatzteilwesen – mit einer Teileverfügbarkeit von über 95 Prozent und Nachtzustellung bei Bestellung bis 15:30 Uhr.

„Mit SANY eTrucks wollen wir die Transformation der Baustellenlogistik aktiv gestalten und unsere Kunden dabei vom ersten Beratungsgespräch bis zum Service über die gesamte Lebensdauer begleiten“

Christoph Kaml, CEO Putzmeister

Alltrucks als Rückgrat

Herzstück des After-Sales-Konzepts ist die Kooperation mit Alltrucks. Das Multimarken-Werkstattnetz bringt rund 700 Standorte in Europa, 24/7-Pannenhilfe und einen zentralen Teilezugang mit. Laut Servicekonzept übernimmt Alltrucks den eChassis-Service, unterstützt von ausgewählten Putzmeister-Händlern; Hochvolt- und Batterie-Themen decken spezialisierte „Flying Doctors“ der Zelllieferanten CATL ab.

TCO im Fokus

SANY positioniert den e435 klar über die Wirtschaftlichkeit. Es wurde mehrfach betont, dass man die „besten TCO im Markt“ anstrebt. Ansprechender Einstiegspreis, niedrige Energiekosten, kaum Bremsenverschleiß dank Rekuperation, weniger Wartungsaufwand durch wartungsarme Achsen und E-Antrieb sowie Förderprogramme auf nationaler Ebene sollen dafür sorgen, dass der e435 über den Lebenszyklus günstiger fährt als ein vergleichbarer Diesel.

Dazu kommen weiche Faktoren: deutlich reduzierter Lärm, keine lokalen Emissionen auf der Baustelle, ein modernes Sicherheitsniveau und ein Fahrerarbeitsplatz, der auch jüngere Generationen anspricht.

In den Startlöchern

Mit dem e435 ist das europäische Programm noch lange nicht abgeschlossen. SANY kündigt gleich zwei weitere Modelle an: 

  • SANY e365 – ein 6x2-eChassis, das sich vor allem für Verteiler-, Kommunal- und Kranaufbauten anbietet und damit die Lücke zwischen schwerer Baustelle und klassischem Onroad-Verkehr schließt.
  • SANY e263 – eine 4x2-Sattelzugmaschine mit 636-kWh-LFP-Batterie, 800-Volt-Architektur, Dualmotor-E-Achse mit maximal 730 kW Peakleistung sowie bis zu 42-Tonnen-Zuggesamtgewicht. Luftfederung an beiden Achsen, 400-kW-DC-Laden und eine umfangreiche Assistenz- und Komfortausstattung – damit zielt SANY klar auf den schweren Verteiler- und regionalen Fernverkehr.

Wenn diese beiden Bausteine kommen, wird aus dem eMixer-Pionier ein kleines, aber schlagkräftiges E-Lkw-Portfolio für Europa – vom Bau über kommunale Anwendungen bis hin zum Fernverkehr. Geht man davon aus, dass die nächste Generation aus chinesischer Großserientechnik nochmals einen deutlicheren Sprung machen wird als jetzt schon die Gen 2 darf man höchst gespannt sein auf die beiden neuen Modelle, die es dann ganz sicher auch wieder auf die Shortlist für die Wahl zum International Truck of the Year schaffen werden. Und wer weiß wo die Reise dann hingeht.

03.12.2025

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