Acht führende Hersteller von Lkw-Anhängern haben beim Europäischen Gerichtshof Rechtsmittel gegen zentrale Artikel der EU-Verordnung 2024/1610 eingelegt. Diese sehen verbindliche CO₂-Reduktionsziele auch für Anhänger vor – obwohl diese selbst keine Emissionen verursachen. Auf der NUFAM hatten wir die Gelegenheit ein Interview mit Helmut Fliegl, Eigentümer von Fliegl Fahrzeugbau, zu führen.
Helmut, worum geht es bei dieser Klage?
Seit dem 1. Juli 2024 schreibt die Verordnung vor, dass die CO₂-Emissionen von Sattelanhängern um 10%, bei sonstigen Anhängern um 7,5% reduziert werden müssen – basierend auf Simulationen mit dem EU-eigenen Tool VECTO-Trailer, das zentrale Grundlage der Regulierung ist. Werden die Ziele nicht erreicht, drohen massive jährliche Strafzahlungen ab 2030: 4.250 Euro pro Fahrzeug und Gramm CO₂-Emissionen pro Tonne/Kilometer. Berechnungen zeigen, dass allein die drohenden Strafzahlungen den Anhängerpreis um bis zu 40% erhöhen könnten - und damit den Verkauf für viele Hersteller wirtschaftlich unrentabel machen. Aber: Ein Trailer hat keinen eigenen Motor und verursacht daher von sich aus keine Emissionen. Aus meiner Sicht handelt es sich hier um eine grundlegende Fehlinterpretation. Wenn ein Bauteil keine Emissionen verursacht, dann kann es auch nicht Teil des Problems sein – das ist unsere Position.
„Wenn ein Bauteil keine Emissionen verursacht, dann kann es auch nicht Teil des Problems sein.“
Was genau ist der Stein des Anstoßes?
Wir kritisieren insbesondere die Anwendung des VECTO-Trailer-Modells. Es bewertet theoretisch modellierte Verbesserungen am Anhänger - wie beispielsweise eine abgesenkte Höhe oder geringeres Gewicht - positiv, ohne reale Transportauswirkungen zu berücksichtigen. In der Praxis führen solche Maßnahmen zu geringerem Ladevolumen, mehr Leerfahrten und erhöhtem Verkehrsaufkommen, mit dem Effekt, dass letztlich mehr CO₂ ausgestoßen wird.
Ein anderes Beispiel: Ein umweltfreundlicher Reifen hat möglicherweise ein geringeres Profil, um den Rollwiderstand zu senken. Wenn dieser Reifen dann nur 50.000 km hält statt 100.000 km, ist das in meinen Augen nicht umweltfreundlich, sondern fragwürdig. Denn: Die Herstellung der Karkasse, der Transport, die verwendeten Materialien – all das verursacht ebenfalls CO₂. Für mich ist das der falsche Weg. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Überregulierung ein Ende haben muss. Außerdem gilt: Wer reguliert, sollte auch praktische Erfahrung haben. Wer nie mit einem beladenen Lkw gefahren ist, sollte keine Regelungen für den Güterverkehr erlassen.
"Wer reguliert, sollte auch praktische Erfahrung haben."
Gab es schon erste Reaktionen auf Eure Klage?
Ja, es gibt Reaktionen. Manche befürworten das Ganze. Wir jedoch nicht. Wir lehnen das entschieden ab. Was falsch ist, bleibt falsch – auch wenn man es schönredet. Und ja, das ist eine echte Gefahr für den Standort Deutschland. Diese Regulierung wirkt wie ein Turbo – ein Turbo für die Deindustrialisierung. Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich. Ohne Anpassung der Verordnung droht der Verlust von über 70.000 Arbeitsplätzen. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen für Deutschland und den Industriestandort Europa wären gravierend. Wer das nicht versteht, dem ist kaum zu helfen.
Helmut, danke dir für deine Einschätzung.