Oliver Bange über die Chancen und Herausforderungen der Energiewende in der Transportbranche
1Truck sprach mit Oliver Bange, Geschäftsführer Central Region bei der TIP Group und Projektleiter „Energy Transition“, über strategische Entscheidungen in einer Zeit des Wandels. Im Interview erklärt er, warum frühes Handeln trotz technologischer Unsicherheiten der bessere Weg ist – und wie Unternehmen durch Pilotprojekte, digitale Tools und mutige Partnerschaften erfolgreich in Richtung Zukunft starten können.
1Truck: Herr Bange, die Transportbranche steht unter großem Druck, nachhaltiger zu werden. Doch viele Unternehmen zögern. Warum?
Oliver Bange: Der Hauptgrund ist Unsicherheit. Es gibt derzeit keine klar dominierende Technologie. Unternehmen fragen sich: Setze ich auf Batterie, Wasserstoff oder Gas? Und was, wenn ich falsch liege? Aber ich sage ganz klar: Das eigentliche Risiko liegt nicht im Testen – sondern im Abwarten. Wer zu spät kommt, verliert den Anschluss.
1Truck: Trotzdem ist es doch ein finanzielles Risiko, in neue Technologien zu investieren, die sich womöglich nicht durchsetzen?
Oliver Bange: Richtig, eine falsche Investition kann teuer werden. Aber kein Handeln birgt ebenfalls hohe Risiken: Man verpasst Förderfenster, fällt bei Ausschreibungen zurück oder verliert Kunden. Die Lösung ist: klein anfangen, testen, lernen. Niemand muss seine komplette Flotte umstellen. Wer 100 Zugmaschinen hat, kann mit drei vollelektrischen Fahrzeugen starten. Das sind gerade mal drei Prozent der Flotte.
1Truck: Was bringt dieser frühe Einstieg konkret?
Oliver Bange: Erfahrung. Und die ist unbezahlbar. Wer früh testet, weiß, wie Ladeinfrastruktur im Alltag funktioniert, wie Fahrer reagieren oder welche Strecken geeignet sind. Außerdem gewinnen diese Unternehmen häufig neue Kunden, weil sie Innovation zeigen. Auch das Fahrpersonal identifiziert sich stärker mit der Firma, wenn es moderne, nachhaltige Fahrzeuge fährt.
1Truck: Gibt es eine Technologie, die sich aus Ihrer Sicht durchsetzen wird?
Oliver Bange: Das hängt stark vom Einsatzgebiet ab. In den Niederlanden funktioniert batterieelektrischer Antrieb im urbanen Raum gut. Für Langstrecken in Osteuropa braucht es vielleicht etwas anderes. Gas, Batterie, Wasserstoff – alles hat Potenzial. Entscheidend ist, was zum Unternehmen passt: zur Infrastruktur, zu den gesetzlichen Vorgaben, zu den operativen Zielen.
1Truck: Nachhaltigkeit ist also kein One-Size-Fits-All?
Oliver Bange: Genau. Und sie endet auch nicht beim Antrieb. Oft wird vergessen, dass auch Trailer eine Rolle spielen. Refurbishment – also die Wiederaufbereitung von Aufliegern – spart CO₂ und Geld. Außerdem sind digitale Systeme ein riesiger Hebel: Mit Telematik und vorausschauender Wartung (Predictive Maintenance) lassen sich Wartungszyklen optimieren und Ausfallzeiten reduzieren.
1Truck: Wie wichtig ist die Auslastung in Sachen Nachhaltigkeit?
Oliver Bange: Extrem wichtig. Wenn Truck und Trailer effizient beladen sind, braucht man weniger Fahrten für die gleiche Menge Fracht. Das senkt Emissionen. Künstliche Intelligenz kann hier bei Routen- und Beladungsplanung unterstützen. Wer Nachhaltigkeit ernst meint, darf diesen Punkt nicht ignorieren.
1Truck: Wie hilft TIP seinen Kunden konkret bei diesem Wandel?
Oliver Bange: Unsere größte Stärke ist die Herstellerneutralität. Wir bieten verschiedene Fahrzeugkonfigurationen an – zum Beispiel bei elektrischen Kühlaufliegern – und können so individuell beraten. Außerdem bieten wir Mietlösungen an. So müssen unsere Kunden keine großen Investitionen tätigen, sondern können neue Technologien ohne langfristige Kapitalbindung testen. Und: Wir begleiten viele unserer Kunden seit Jahren – dieses Vertrauen ist die Basis, um gemeinsam neue Wege zu gehen.
1Truck: Ihr Tip für alle, die noch zögern?
Oliver Bange: Starten Sie – auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist. Die Rahmenbedingungen sind nicht perfekt, das ist klar. Aber sie werden es auch in fünf Jahren nicht sein. Wer heute beginnt, sammelt Erfahrung, kann schneller skalieren und ist morgen besser aufgestellt. Der perfekte Zeitpunkt kommt nicht. Aber heute ist ein guter.