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Europas Nutzfahrzeugindustrie vor dem Kollaps?

Die europäische Nutzfahrzeugbranche steht vor einer existenziellen Herausforderung: Bis 2030 müssen Lkw-Hersteller ihre CO₂-Emissionen um 45 % gegenüber dem Stand von 2020 senken. Gelingt das nicht, drohen Strafen in Milliardenhöhe – mit massiven Folgen für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung. Christian Levin, CEO der Traton Group und Vorsitzender des Nutzfahrzeugbereichs der ACEA, warnt eindringlich: „Wir können diese Last nicht alleine tragen.“

Milliardenstrafen bedrohen Industrie und Arbeitsplätze

Die aktuellen gesetzlichen Vorgaben sehen vor, dass Lkw-Hersteller bei Nichterfüllung der Klimaziele eine Strafe von 4.250 Euro pro Gramm CO₂ und Fahrzeug zahlen müssen. Im schlimmsten Fall könnte das bis zu eine Milliarde Euro pro Hersteller kosten. „Wenn wir das Ziel um nur 10 % verfehlen, stehen wir genau dort“, mahnt Levin. Dabei seien die Fahrzeuge selbst nicht das Problem – vielmehr fehle es an einem funktionierenden Gesamtsystem.

Vier Säulen für den Erfolg: Fahrzeug, Infrastruktur, Wirtschaftlichkeit und Nachfrage

Levin nennt vier entscheidende Voraussetzungen, damit die Branche die CO₂-Ziele erfüllen kann:

1. Die Fahrzeuge sind bereit

Alle großen europäischen Hersteller bieten inzwischen batterieelektrische Lkw an und verfügen über entsprechende Produktionskapazitäten. „Sie bestellen, wir liefern“, so Levin.

2. Infrastruktur als größtes Nadelöhr

Aktuell gibt es weniger als 1.000 Ladepunkte für schwere Nutzfahrzeuge in der gesamten EU – und die wenigsten sind mit den für den Fernverkehr benötigten Megawatt-Ladern ausgestattet. Noch gravierender ist die Situation beim Stromnetzanschluss: „Selbst in Schweden dauert es zehn Jahre, bis ein Kabel im Boden liegt“, kritisiert Levin und fordert eine grundlegende Reform der Genehmigungsverfahren.

3. Wirtschaftlichkeit muss stimmen

Für viele Transportunternehmen ist ein Umstieg auf Elektrofahrzeuge wirtschaftlich nicht sinnvoll. Der Diesel bleibt in den meisten Fällen günstiger im Betrieb. Levin fordert daher eine Neuausrichtung der Rahmenbedingungen: CO₂-Bepreisung, Mautanpassungen, steuerliche Anreize und neue Finanzierungsmodelle. „Es ist absurd, dass fossile Brennstoffe in Europa niedriger besteuert werden als Strom“, betont er.

4. Verlässliche Nachfrage schaffen

Selbst wenn Technik und Wirtschaftlichkeit stimmen, fehlt vielen Speditionen die Planungssicherheit. Wer einen 300.000 Euro teuren Lkw kauft, braucht langfristige Verträge und klare Signale vom Markt. Levin appelliert an die Politik und Großkunden, durch langfristige Ausschreibungen und gezielte Nachfrageanreize ein stabiles Marktumfeld zu schaffen: „Die öffentliche Hand sollte emissionsfreien Transport fordern – wir haben das Angebot.“

ACEA fordert Gespräche mit der EU-Kommission

Trotz der Dringlichkeit fühlt sich die Branche von der Politik im Stich gelassen. Levin beklagt einen Mangel an Austausch mit der EU-Kommission: „Wir sind keine Pkw-Industrie. Das Geschäftsmodell ist völlig anders.“ Die ACEA hat deshalb ein offizielles Schreiben an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgesetzt und fordert ein rasches Treffen sowie eine Überprüfung der 2030-Ziele.

Alttechnik als Hemmschuh – China als Vorbild?

In einem Appell fordert Levin ein entschlosseneres Vorgehen gegen veraltete Technologien. Ähnlich wie bei der Einführung neuer Euro-Normen müsse es klare Regeln geben: „Damals durfte man keine Euro-5-Lkw mehr zulassen, sobald Euro-6 galt. Das Fenster wurde einfach geschlossen.“ Eine solche Regulierung fehle derzeit bei emissionsfreien Fahrzeugen – in China hingegen nicht. Dort liegt der Anteil elektrischer Lkw bereits bei 30 %. Möglich macht das eine klare Regulierung, konsequente Politik und gezielte Anreize.

Levin schließt mit einer eindringlichen Warnung: „Es bleiben nur viereinhalb Jahre. Der Sprung von 3,5 % auf 35 % wird nicht gelingen, wenn wir nicht sofort handeln.“

Fazit

Die europäische Nutzfahrzeugindustrie steht an einem Scheideweg. Ohne entschlossene politische Maßnahmen drohen Milliardenstrafen, der Verlust von Arbeitsplätzen und der Rückfall im globalen Wettbewerb. Die Technologie ist vorhanden – jetzt braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die Wende zu schaffen.

25.06.2025

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