Eigentlich war ich ein wenig skeptisch. Als jemand, der das Schalten als essenziellen Bestandteil des Motorradfahrens sieht – quasi als das Salz in der Suppe jeder Ausfahrt – hatte ich gehofft, dass mir die Automatik der Honda NC750X nicht allzu schnell zusagt. Motorradfahren ohne Kupplung und Ganghebel? Das klang im Vorfeld nach Disneyworld statt Dschungelabenteuer.
Doch schon nach wenigen Kilometern wurde klar: Die NC750X belehrt einen sanft, fast unbemerkt, eines Besseren. Der Doppelkupplungsautomat (DCT) schaltet so weich, dass man den Gangwechsel nur durch ein leises Klacken wahrnimmt – kein Rucken, kein Zögern. Besonders im Stop-and-Go-Verkehr wird diese Leichtigkeit zum echten Komfortgewinn. Kein Kuppeln, kein Schleifenlassen, kein nervöses Fußspiel – einfach rollen, genießen und konzentriert bleiben.
Unterstützt wird das Ganze von einem 745 cm³ großen Zweizylinder-Reihenmotor, der 58,6 PS bei 6.750 U/min liefert. Das maximale Drehmoment liegt bei 69 Nm, spürbar früh anliegend bei 4.750 U/min. Die Leistungsentfaltung ist linear, der Motor läuft kultiviert – auch bei längerer Fahrt bleibt alles stressfrei.
Handling und Fahrwerk – Komfort trifft Kontrolle
Beim ersten Einlenken in die Kurve fällt sofort auf: Die NC750X liegt satt und stabil, ohne träge zu wirken. Das Handling ist leichtfüßig und präzise, dabei stets kalkulierbar. Einsteigerfreundlich, aber auch für erfahrene Tourenfahrer keine Zumutung. Die Vorderradführung übernimmt eine 41-mm-Teleskopgabel mit 120 mm Federweg, hinten arbeitet ein Pro-Link-Monofederbein mit ebenfalls 120 mm Weg. In Kombination ergibt das ein komfortabel abgestimmtes Fahrwerk, das auch auf schlechten Landstraßen ordentlich Reserven bietet.
Bei den Bremsen hat Honda endlich nachgelegt: An der Front verzögern jetzt zwei 320-mm-Scheiben mit Doppelkolben-Bremszangen. Zusammen mit dem serienmäßigen ABS ergibt das ein gut dosierbares, satt zupackendes Bremssystem – eine klare Verbesserung gegenüber früheren Jahrgängen mit Einzelscheibe.
Technik-Update: Display und Elektronik
Neu an Bord: ein modernes, gut ablesbares 5-Zoll-TFT-Display. Es lässt sich per Schalter am Lenker intuitiv bedienen und bietet verschiedene Anzeigemodi – je nach persönlicher Vorliebe oder Fahrsituation. Neben den üblichen Infos wie Drehzahl, Geschwindigkeit und Ganganzeige, werden auch Fahrmodi und Verbrauchsanzeige übersichtlich dargestellt. Die NC750X bietet drei voreingestellte Fahrmodi (Sport, Rain, Standard) sowie einen frei konfigurierbaren User-Modus. Die Gasannahme, Motorbremse, DCT-Schaltlogik und Traktionskontrolle lassen sich dabei individuell einstellen.
Der Tank ist weg?
Ein echtes Highlight, das in der Praxis sofort begeistert: Der Tank sitzt nicht mehr wie gewohnt zwischen den Knien, sondern ist weiter hinten untergebracht – unter dem Soziussitz. Was an seiner Stelle geblieben ist, ist nicht etwa eine Attrappe, sondern ein überraschend geräumiges Staufach. Rund 23 Liter Volumen – genug für einen Integralhelm oder Kleinkram für die Wochenendausfahrt. Diese Lösung ist nicht nur clever, sondern verleiht der NC750X eine Extraportion Alltagstauglichkeit.
Fazit – Vernunft mit Fahrspaßpotenzial
Die Honda NC750X ist kein Aufreißer. Kein Biest. Kein Exot. Aber sie ist verdammt gut darin, das zu sein, was viele Motorräder gerne wären: ein echter Alltagskumpel, der auch auf der Landstraße Laune macht. Wer sich einmal mit der DCT-Automatik anfreundet – und das geht schneller, als man glauben möchte – wird sie gerade im Stadtverkehr oder beim Touren nicht mehr missen wollen. Dazu ein solides Fahrwerk, eine überarbeitete Bremsanlage, modernes Display, viel Stauraum und ein Motor, der die Maschine unaufgeregt und zuverlässig antreibt.