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30 Millionen Fass Erdöl pro Tag

v.l.n.r: Arnd Franz, Michael Fleiss, Rebecca Yates, Karl Rose, Bernhard Geringer, Rudolf Melzer, Credit: OVK Ranger

Das 45. Internationale Wiener Motorensymposium, in der Wiener Hofburg stattfand, offenbarte die Vielfalt der Wege zur CO2-neutralen Mobilität. Bernhard Geringer, Vorsitzender des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK), der das Symposium ausrichtet, betonte, dass der effektivste und schnellste Weg je nach Nutzungsgruppen unterschiedlich gesehen wird. Um weltweit CO2-neutral zu werden, müssten rund 30 Millionen Fass Erdöl pro Tag durch erneuerbare Energie ersetzt werden.

Herausforderndste Phase der Geschichte

Helmut List, Vorsitzender der Geschäftsführung der Grazer AVL List, wies darauf hin, dass die Automobilindustrie eine der herausforderndsten Phasen ihrer über 140-jährigen Geschichte durchlebt. Die Geschwindigkeit, mit der Innovationen und Technologien auf den Markt kommen, hat zugenommen. Zudem machen Schwankungen beim Kundenverhalten sowie bei den gesetzlichen und marktpolitischen Rahmenbedingungen das Geschäft schwerer planbar. Eine milliardenschwere Investition in eine Gigafactory für Batterien könnte schnell obsolet werden, wenn etwa irgendwo auf der Welt eine bessere Zellchemie entwickelt wird.

Die Batterieentwicklung steht erst am Anfang, wie viele Expertinnen und Experten betonten. Karl Rose, ehemaliger Chefstratege des Ölkonzerns ADNOC (Abu Dhabi National Oil Company), sieht in Batterien das Öl der Zukunft und ist überzeugt, dass Europa, Amerika und China 2050 einen elektrifizierten Individualverkehr haben werden. Allerdings falle Europa im Bereich der Batterien Jahr für Jahr gegenüber den USA und Asien zurück, wo deutlich mehr dafür investiert werde.

Mehr Eigenproduktion, weniger Abhängigkeit

Der VW-Konzern will seine Abhängigkeit von Batteriezellenlieferanten zumindest senken. Batteriezellen stellen rund 40 Prozent des Wertes eines Elektroautos dar. Michael Steiner, Forschungsvorstand der Volkswagen AG, erklärte, dass das Ziel sei, 50 Prozent der Batteriezellen selbst herzustellen. VW intensiviert die Zusammenarbeit mit Zulieferern im Bereich der Feststoffzelle, die als schneller ladbar, reichweitenstärker, zuverlässiger, langlebiger und sicherer als aktuelle Lithium-Ionen-Zellen gilt. Steiner erwartet, dass bis 2035 die Kosten für Batteriezellen um bis zu 40 Prozent sinken werden.

Die Umstellung auf batterieelektrische Mobilität erfolgt insgesamt langsamer als von vielen Herstellern erhofft. Gründe dafür sind das unzureichende Stromnetz, hohe Fahrzeugkosten und mangelhafte Ladeinfrastruktur. In der EU sind knapp zwei Drittel der Ladestationen auf die Niederlande, Deutschland und Frankreich konzentriert. Rose sieht einen spürbaren Einfluss durch Elektrofahrzeuge auf die weltweite Erdölnachfrage erst nach 2030, mit einem Rückgang um 1,5 Millionen Fass pro Tag. Aktuell beträgt die weltweite Förderung rund 100 Millionen Fass Rohöl pro Tag, wovon etwa ein Drittel in den Verkehr fließt.

Ölkonzerne wollen grün werden

Ölkonzerne wie BP haben bereits vor Jahren mit der Umstellung auf Energieunternehmen begonnen. Rebecca Yates, Vizepräsidentin von BP, erklärte in Wien, dass das Ziel von BP sei, bis 2050 oder gar früher ein Netto-Null-Unternehmen zu werden. Bis 2030 verfolgt BP das strategische Ziel, die Zahl der Ladestellen von derzeit 27.000 auf 100.000 weltweit zu erhöhen.

Eine besondere Herausforderung ist der Aufbau der Ladeinfrastruktur für den Schwerverkehr. In Europa erwartet die Branche, dass auch im Fernverkehr rund die Hälfte der Lkw künftig batterieelektrisch unterwegs sein wird, was Ladeleistungen im Megawattbereich erfordert. Arnd Franz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Zulieferkonzerns Mahle, wies darauf hin, dass Lkw-Parkplätze eigene Hochspannungsleitungsanschlüsse und mehr Platz benötigen werden. Derzeit fehlen in Deutschland etwa 23.000 Abstellplätze für Lkw, und für das elektrische Laden werden noch weitere 21.000 benötigt. Hier eröffnet sich eine klare Option für Wasserstoff.

Wasserstoff – eine schnelle Lösung

Grüner Wasserstoff gilt derzeit vor allem im Schwerverkehr als ein relativ schnell umsetzbarer und kostengünstiger klimaneutraler Ersatz für Diesel. Lkw gelten auch mit Wasserstoffmotor als „Zero-Emission-Vehicle“, wenn sie weniger als 1 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer ausstoßen. MAN plant, 2025 den ersten europäischen Lkw mit Wasserstoffmotor auf den Markt zu bringen.

Franz von Mahle betonte, dass auch synthetische Kraftstoffe nicht außen vor gelassen werden dürfen. Diese sogenannten E-Fuels werden auf Basis von grünem Wasserstoff und CO2 erzeugt und haben eine schlechtere Energiebilanz als der direkte Einsatz von grünem Strom in Batterien, bieten jedoch wichtige Vorteile. E-Fuels gelten als beste Möglichkeit, Bereiche wie die Containerschifffahrt oder den Langstreckenflugverkehr zu dekarbonisieren. Bei Biokraftstoffen ist das Potenzial begrenzt, um keine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion entstehen zu lassen.

E-Fuels inklusive grünem Wasserstoff sind auch attraktiv als Speicher für Ökostrom, da grüner Strom so einfach wie Rohöl über weite Distanzen transportiert werden kann. Bernhard Geringer betonte, dass der Anteil fossiler Energiequellen bei Primärstrom in Europa noch fast 40 Prozent beträgt und bei der Primärenergie noch viel höher ist.

Preiswerte und wirklich nachhaltige Alternative

CO2-neutralen Kraftstoffen wird auch für Pkw viel Zukunftspotenzial zugeschrieben. In Schwellenländern wie Indien wird sogar mit einem Zuwachs gerechnet. Michael Fleiss, Geschäftsführer des Antriebsentwicklers Aurobay Europe, erklärte, dass nachhaltige Kraftstoffe eine preiswerte Alternative zum batterieelektrischen Antrieb bieten könnten, wenn die Gesamtökobilanz berücksichtigt wird. Laut einer Bloomberg-Studie werden 2040 weltweit 900 Millionen Verbrennungsfahrzeuge und 600 Millionen Batteriefahrzeuge unterwegs sein.

Aurobay, gegründet 2021, umfasst die Verbrennersparte von Geely und Volvo. Eine geplante gemeinsame Firma mit der Verbrennersparte von Renault soll der größte unabhängige Powertrain-Hersteller der Welt werden, der pro Jahr fünf Millionen Powertrains weltweit produziert.

Agrarbereich besonders spannend

Besonders fordernd ist das Ziel, den ökologischen Fußabdruck im Agrarbereich zu senken. Friedrich Eichler, Technikchef der Steyr-Mutter Case New Holland (CNH) Industrial GmbH, zeigte, dass die Landwirtschaft viel Potenzial für den Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen hat. Die Nutzung von Methan aus Gülle könnte einen kompletten Bauernhof sowohl mit Ökostrom als auch mit Biogas versorgen und einen negativen CO2-Fußabdruck erzeugen. Kleinere Traktoren und Baumaschinen werden bereits mit batterieelektrischem Antrieb angeboten. Ein Steyr-Traktor-Prototyp mit Brennstoffzellenantrieb wurde vor der Hofburg ausgestellt, der Wasserstoff dafür kann aus Hackschnitzeln erzeugt werden.

Wie die rund 80 Vorträge des Motorensymposiums 2024 zeigten, erwachsen Chancen aus dem gigantischen Transformationsprozess der Autobranche. Michael Steiner von VW betonte, dass die Zukunftssicherung der europäischen Autoindustrie davon abhängt, sich mehr denn je nach den Anforderungen des Kunden auszurichten. Helmut Eichlseder, Vizevorsitzender des ÖVK, sieht große Herausforderungen für die Branche und die Gesetzgeber auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität. Entscheidend sei die regenerative Energiebereitstellung, zusammen mit der erforderlichen Infrastruktur, eine bisher nicht vollständig durchdachte Mammutaufgabe.

31.05.2024

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