Gianenrico Griffini, Präsident der ITOY Jury, traf Harald Seidel, Präsident von DAF zu einem exklusiven Interview.
Nicht überraschend fokussiert sich ein Interview mit DAF-Präsident Harald Seidel schnell auf das bemerkenswerte Wachstum des niederländischen Lkw-Herstellers in den letzten zehn Jahren. Die Ambitionen, im Bereich der Sattelzugmaschinen und des gewerblichen Einsatzes zu wachsen, sowie darauf, der erste zu sein, der die neuen europäischen Gewicht und Größen Vorschriften umsetzt. Darüber hinaus hat DAF eine klare Vision, wenn es um nachhaltige Transportlösungen geht. "Es gibt keine Einheitslösung, die allen Anforderungen gerecht wird."
Wenn die Wände sprechen könnten
Das Interview mit Harald Seidl, dem Präsidenten von DAF findet im historischen Sitzungssaal des DAF-Hauptquartiers in Eindhoven statt. Die Holzvertäfelung, die dekorativen Kronleuchter - mittlerweile mit LED-Glühbirnen - und die wunderschön verarbeitete Decke veranschaulichen das reiche Erbe des Unternehmens. "Wenn diese Wände sprechen könnten", beginnt Harald Seidel, "würden wir viel über die Vorstandsentscheidungen der letzten Jahrzehnte erfahren, die bis in die 1950er Jahre zurückreichen, als das Unternehmen noch von seinen Gründern Hub und Wim van Doorne geführt wurde. Schauen Sie, wo wir heute sind. DAF hat sich zu einem führenden europäischen LKW-Hersteller entwickelt, der im letzten Jahr über 70.000 mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge gebaut hat. Das ist ein Rekord in unserer 95-jährigen Geschichte."
Zahlreiche Auszeichnungen
Nach den Worten von Harald Seidel war 2023 "ein wunderbares und aufregendes Jahr". Die Produktion des 50.000sten New Generation-Modells, der 250.000ste MultiSupport-Reparatur- und Wartungsvertrag, der Baubeginn des neuen PACCAR-Teile Logistikzentrums in Deutschland und die Einführung des neuen XD-Verteiler Lkw stellen nur einige Meilensteine von DAF im Jahr 2023 dar. Ganz zu schweigen von der Eröffnung der neuen Montagelinie für elektrische Lastwagen. "Nachdem wir den renommierten International Truck of the Year Award zweimal in Folge gewonnen haben, haben wir in diesem Jahr auch drei weitere Auszeichnungen für die branchenführende Kraftstoffeffizienz und Nachhaltigkeit unserer New Generation DAF-Fahrzeuge erhalten. Etwas, worauf wir sehr stolz sein können."
Jetzt ist die Zeit für Wachstum im Bereich Sattelzugmaschinen
Mit dem Fokus auf den Ausbau des Erfolgs des Unternehmens stellt sich die Frage, wo DAF die größten Chancen sieht. "Einer dieser Schlüsselbereiche ist das Segment der Bau und Kommunalfahrzeuge sowie der Sattelzugmaschinen", sagt Harald Seidel. "Mir ist bewusst, dass wir dieses Ziel schon seit geraumer Zeit verfolgen, aber jetzt haben wir die besten Produkte im Angebot, die es je gab. Nehmen Sie zum Beispiel unsere neuen Baufahrzeuge, die laut unseren Kunden genau die Art von Lkw sind, nach denen sie gesucht haben. Neben der Bereitstellung von Spitzenprodukten geht es auch um die Vereinfachung des Geschäfts, sowohl für den Kunden als auch für den Aufbauhersteller. Daher werden neue Initiativen ergriffen, einschließlich Plug-and-Play-Lösungen, sofort einsatzbereiter Fahrzeuge, zusätzlicher Ingenieurskapazitäten und natürlich einer guten Beziehung zu den Aufbauherstellern. In dieser Hinsicht wurden enorme Fortschritte erzielt und die Zeit für Wachstum in diesem Segment ist gekommen."
Euro VII – Die grosse Herausforderungen
Harald Seidel ist überzeugt, dass die Visionen von DAF neu definiert wurden, um die Technologie Vorreiterrolle, sowie Transportlösungen zu berücksichtigen. "Letzteres geht über die Erzielung der niedrigsten CO2-Emissionen mit unseren New Generation DAF-Lastwagen hinaus. Wir sind entschlossen, zu einer nachhaltigeren Welt beizutragen, indem wir unseren Kunden noch sauberere Transportlösungen bereitstellen. Daher sind die Entwicklung und Vermarktung alternativer Antriebsstränge sehr wichtig für uns. Und ja, es wurde eine neue Euro-7-Gesetzgebung angekündigt, aber das würde massive Investitionen bei einem relativ geringen Mehrwert für die Umwelt bedeuten. Es ist weitaus effektiver, die Euro-3, Euro-4 und Euro-5-Fahrzeuge auf der Straße zu ersetzen, anstatt die Branche bis Ende des Jahrzehnts zur Euro-7 Norm zu drängen, wenn zusätzlich noch die Elektrifizierung ins Spiel kommt. Wir haben größere Herausforderungen zu bewältigen."
Von Dutzenden auf Tausende pro Quartal
"DAF war schon immer ein Vorreiter bei nachhaltigen Transportlösungen", betont der Präsident von DAF. "Im Jahr 2010 waren wir mit dem ersten Hybridfahrzeug wirklich unserer Zeit voraus. Tatsächlich waren wir sogar viel zu früh dran. Wir haben jedoch umfangreiche Erfahrungen mit der Elektrifizierung gesammelt, die der Entwicklung unserer New Generation DAF-Elektrofahrzeuge zugutekamen und für die ein brandneues Montagewerk in Auftrag gegeben wurde. In diesem Jahr werden wir mit der Auslieferung der ersten dieser neuen Elektrofahrzeuge an Kunden beginnen, wobei die Produktion auf Tausende von Fahrzeugen pro Jahr steigt."
50.000 öffentliche Ladestationen benötigt
Trotz des wachsenden Interesses von Transportunternehmen an elektrischen Lkw und der Verfügbarkeit von BEV-Fahrzeugen von OEMs gibt es immer noch große Herausforderungen für deren umfangreiche Einführung. Harald Seidel: "Die Verfügbarkeit von BEV-Lastwagen ist nur ein Teil der Geschichte. Die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur und Kostengleichheit werden die entscheidenden Faktoren für den Erfolg sein. Wenn ich von Amsterdam nach Madrid fahre, wo kann ich aufladen? Wenn ich bereit bin, in elektrische Ladegeräte an meinem Depot zu investieren, wann kann ich meinen Anschluss ans Netz bekommen? Das sind die Fragen, die sich Transportunternehmen stellen. Wir benötigen massive Investitionen in grüne Energieinfrastruktur, und das erfordert einen Masterplan auf europäischer Ebene."
Zu umfangreich, um auf ein Pferd zu setzen
"Eine Reihe von Technologien für eine Reihe von Anwendungen" ist das Credo von DAF, wenn es um nachhaltigen Straßentransport geht. "Abgesehen von batterieelektrischen Lastwagen investiert DAF in Wasserstoff als vielversprechende emissionsfreie Technologie. Auch die Hybridtechnologie ist interessant, um die Herausforderungen der Infrastruktur zu minimieren, wenn sie mit HVO und E-Kraftstoffen kombiniert wird", bestätigt Harald Seidel. "HVO ist ein Biodiesel, der aus Abfallprodukten wie Pflanzenöl und Altfett hergestellt wird. Er ist sofort einsatzbereit in bestehenden Lastwagen, unterstützt eine Kreislaufwirtschaft und bringt einen sofortigen CO2-Reduktionsnutzen von 90%. Leider zählt HVO nicht zu den CO2-Zielen für die Lkw-Branche bis 2030. Diese Art von Inkonsistenz in der europäischen Gesetzgebung ist nicht hilfreich. Tatsache ist, dass wir alle verfügbaren Technologien benötigen, um den Straßentransport zu dekarbonisieren. HVO, Hybrid, elektrisch und Wasserstoff. Die Nachhaltigkeitsherausforderung ist zu groß, um auf ein Pferd zu setzen, wir brauchen alle Pferde im Rennen."
Gut gerüstet für die Zukunft
Inzwischen ist das Jahr 2024 angebrochen. Was erwartet Harald Seidel vom diesjährigen Markt? "Nun, ich habe keine Glaskugel", antwortet er. "Der Markt von 2023 war sehr stark, mit einem Gesamtvolumen von bis zu 330.000 Einheiten in der schweren Klasse, was angesichts der Angebotseinschränkungen in den Jahren zuvor nicht überraschend war. Für 2024 erwarten wir, dass sich der Markt zwischen 260.000 und 300.000 Lkw einpendeln wird. Das ist immer noch ein starker Markt, besonders wenn man ihn aus historischer Perspektive betrachtet. Mit unseren mehrfach ausgezeichneten New Generation DAF-Fahrzeugen, unserem umfassenden Serviceangebot und unserem professionellen Händlernetz sind wir bereit, unseren Erfolg in diesem Jahr und in den kommenden Jahren fortzusetzen. So dass Hub und Wim van Doorne, die Gründer unseres Unternehmens, äußerst stolz wären, wenn sie mit uns im Jahr 2028 auf 100 Jahre DAF anstoßen würden.“