Leere Regale, Knappheiten bei Spielzeug und Dekoartikeln sowie empfindliche Preiserhöhungen – sind diese Folgen der Krise am Suezkanal, wo Huthi-Rebellen Schiffe angreifen, wirklich zu befürchten? Die Lieferkettenexperten von Setlog, einem Unternehmen für Softwarelösungen, mahnen zur Besonnenheit und warnen vor übertriebener Panikmache. Ralf Düster, Vorstandsmitglied des Bochumer IT-Spezialisten, betont: „Die Verbraucher werden die Auswirkungen bei schnell drehenden Konsumgütern, die aus Asien importiert werden, aktuell kaum spüren."
Verzögerungen von Lieferungen
Düsters Äußerungen stützen sich nicht nur auf Gespräche mit Importeuren und Spediteuren, sondern auch auf eine Analyse des Unternehmens von 50 Marken aus dem Bereich schnelldrehender Konsumgüter. Diese Analyse zeigt, dass sich Importe von Deko, Kleidung und ähnlichen Produkten aus Fernost aufgrund der Situation am Suezkanal im Durchschnitt um 3,5 bis sieben Tage verzögern. Die Fachleute verglichen dabei Daten seit Beginn der Huthi-Rebellen-Angriffe im November bis zum 17. Januar mit Zahlen aus dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Verzögerungen bei den Lieferungen resultieren aus der Tatsache, dass viele Schiffe nun einen Umweg über die Südspitze Afrikas nehmen, anstatt durch den Suezkanal zu fahren. Diese alternative Route verlängert die Fahrtzeit je nach Schiffsgeschwindigkeit um sieben bis 20 Tage im Vergleich zur ursprünglichen Strecke über den 164 Kilometer langen Suezkanal.
Verlorene Zeit kompensieren
Düster erklärt, dass Importeure durch verschiedene Maßnahmen die verlorene Zeit auszugleichen versuchen. Dazu gehören eine frühzeitige Planung, der Einsatz von Software zur Containerverfolgung sowie das rechtzeitige Reagieren auf Änderungen in den Fahrplänen von Spediteuren und Reedereien. „Führende Unternehmen haben die Steuerung der Supply Chain digitalisiert, arbeiten mit SCM-Software, Trackingtools, Notfallplänen, Flexibilitätsvereinbarungen und kollaborieren eng mit allen Partnern", betont der SCM-Experte.
Auswirkungen der Angriffe
Düster warnt vor übertriebener Panikmache, die in einigen Medien zu finden ist, und verweist auf differenzierte Aussagen großer Unternehmen, die sich mit Ausfällen oder Lieferverzögerungen im Handel auseinandersetzen. Beispielsweise betont Aldi Nord auf seiner Website, dass intensiv mit Lieferanten und Logistikpartnern an Lösungen gearbeitet werde, um keine spürbaren Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden zu haben.
Die Lage sieht jedoch in anderen Branchen anders aus, insbesondere in der Automobilindustrie. Volvo berichtet von Produktionsstopps im belgischen Gent aufgrund von Lieferengpässen bei Getrieben, während der Elektroautobauer Tesla seine Produktion in Berlin ab dem 29. Januar für fast zwei Wochen weitgehend aussetzen muss. Trotz der begrenzten Auswirkungen der Huthi-Rebellen-Angriffe auf Schiffe auf die Verbraucher in diesem Land sind die Kostenentwicklungen für Unternehmen spürbar betroffen. Etwa zehn Prozent des weltweiten Handels verlaufen über den Suezkanal, der von bis zu 19.000 Schiffen pro Jahr frequentiert wird. Gemäß einer Analyse von Allianz Trade, einem Kreditversicherer, ist die Anzahl der Frachter, die den Suezkanal durchqueren, um etwa 30 Prozent gesunken. Gleichzeitig hat sich der Schiffsverkehr um das Kap der Guten Hoffnung nahezu verdoppelt.
Starke Kosten-Erhöhung
Die Krise hat zu einem drastischen Anstieg der Versicherungsprämien für den Transport durch den Kanal geführt. Der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung verursacht zudem bis zu 30 Prozent höhere Treibstoffkosten. Die Auswirkungen sind beträchtlich: Allein bei Deutschlands größter Container-Reederei, Hapag-Lloyd, verursacht die Lage am Roten Meer monatliche Mehrkosten im hohen zweistelligen Millionenbereich, wie das Unternehmen mitteilt.
Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Containertransportpreise aus China Anfang Januar rapide gestiegen sind. „Für eine 40-Fuß-Box (HC) von China nach Europa bezahlten Importeure auf dem Spotmarkt in der ersten Woche im Schnitt 1.500 US-Dollar, in der zweiten Woche bereits mehr als 5.000 US-Dollar", so Patrick Merkel, Geschäftsführer von Prologue Solutions aus Hamburg. Auch die freien Tage während des chinesischen Neujahrsfests, das am 10. Februar beginnt, treiben die Kosten an. „Jedes Jahr versuchen Unternehmen, Saisonwaren für Frühjahr und Sommer vor Chinese New Year aus China herauszubekommen. Der Bedarf an Containern und die Transportkapazitäten für die Routen nach Europa und in die USA ist aufgrund dieser kurzen Hochsaison gestiegen, er bewegt sich aber unter Vorjahresniveau. Verlader akzeptieren daher kurzfristig höhere Kosten, da der Abfluss der Ware aus den Produktionsstätten höchste Priorität hat", erklärt Ralf Düster.
Für Importeure kommt die Krise am Suezkanal zu einer ungünstigen Zeit, da Reedereien aufgrund geringerer Nachfrage begonnen hatten, Schiffsverbindungen zu streichen oder Häfen nicht anzufahren. „Rund 25 Prozent der Gesamtkapazität wurde ab Dezember aus dem Markt genommen", erläutert Merkel. Die Situation im Roten Meer habe dann plötzlich den Druck auf die reduzierten Kapazitäten erhöht und so zu einem massiven Preisanstieg sowie erheblichen Platzproblemen geführt. Merkel: „Die Welle dürfte aber bis März durchgeschwappt sein, wobei einige Nachfolgeprobleme durch Leercontainerknappheit erwartet werden, weil die Verteilung aktuell nicht mehr funktioniert. Wir erwarten eine Entspannung der Nachfrage und damit auch der Frachtkosten im März."