Vom namensprägenden Zahnrad aus den Firmenanfängen bis hin zum global aufgestellten Systemanbieter hat sich ZF gerade in den letzten Jahren sprunghaft zum Welt-Konzern für Mobilität gewandelt. Zukäufe von Branchenspielern wie Wabco haben das Portfolio des Friedrichshafener Antriebsspezialisten zu einem Rundumpaket für alle relevanten Fahrzeugkomponenten gefüllt. Lenkung, Getriebe, Fahrwerk und seit einiger Zeit auch elektrische Antriebstechnik – auf allen wesentlichen Chassiskomponenten kann man heute das ZF-Logo finden.
Sichtbare Transformation
Die Transformation vom Verbrenner zum E-Antrieb findet freilich auch bei ZF statt. In den Hallen, in denen Generationen von Fahrzeuggetrieben gefertigt wurden, hält mit den E-Antrieben sukzessive auch neue Technik Einzug. Der Wandel geht natürlich in kleinen, aber deutlich nachvollziehbaren Schritten von statten. Schließlich braucht die Welt noch viele Jahrzehnte die ausgereifte Getriebetechnik. Die Frage nach E-Antrieben beantwortet ZF heute bereits mit einer eigenen Familie von Antriebsaggregaten.
Kompakte E-Achse für Lkw
Neuester Zuwachs in der Familie der E-Antriebe für Lkw ist das Antriebssystem AxTrax 2, das den kompletten Nutzfahrzeugeinsatz vom leichten Verteiler-Lkw bis zum schweren 44-Tonner abdecken kann. Möglich macht dies das modulare Baukastensystem, das sich mit den unterschiedlichsten Batteriekomponenten bis hin zur Brennstoffzelle kombinieren lässt. Da ZF mittlerweile auch flächendeckend im Fahrwerks- und Bremsgebiet mit von der Partie ist, lässt sich das neue Elektroantriebssystem ideal in die Gesamtarchitektur des Antriebs integrieren. Für ZF als „One Stop Shop“ ist es einfach, die neu entwickelte E-Achse mit den anderen Komponenten aus dem Konzernverbund zu koppeln. Damit kann man ein fein abgestimmtes Komplettpaket anbieten, das somit vergleichsweise einfach in die Fahrzeugarchitektur des Lkw-Herstellers integriert werden kann. DAF wird als einer der ersten Kunden seinen E-Truck mit dem ZF-Antriebskonzept ausstatten. Für die schweren Lkw kommt dabei die AxTrax Dual Antriebsachse zum Einsatz, die über zwei synchron arbeitende E-Motoren verfügt, die im Achskörper an der Hinterachse integriert sind. Ein klassischer Antriebsstrang von Motor über Getriebe, Kardanwelle hin zum Differenzial und letztlich an die Radnaben entfällt – der kompakte Antrieb sitzt gänzlich in der AxTrax-Hinterachse. Bei dem mit zwei Motoren ausstaffierten System wird eine Dauerantriebsleistung von 380 kW – oder nach alter Sitte gerechnet 517 PS – mobilisiert.
Flinke Leistung im Fernverkehr
Die stattliche Motorleistung und das elektromotortypische maximale Drehmoment ab Drehzahl Null schon direkt ab dem Anfahren verhelfen dem Sattelzug zu einem behenden Fahrstil. Eine Nummer kleiner, sprich mit nur einem Antriebsmotor und entsprechend niedrigerer Systemleistung, kann die AxTrax-Hinterachse raumsparend in Verteiler-Fahrzeugen bis hin zu Mittelklasse-Lkw zum Einsatz kommen. Für alle Einsatzzwecke gilt jedoch der große Vorteil, dass auf den konventionellen Antriebsstrang, den die meisten E-Antriebe heute noch nutzen, verzichtet werden kann und somit viel Bauraum für Batterietechnik zur Verfügung steht. Durch die äußerst kompakte Bauart der integrierten Achse sind völlig neue Rahmenkonzepte vorstellbar. Allen Varianten zu eigen ist die Möglichkeit mit einer direkten Vernetzung in die Fahrzeug-CAN-Datensysteme integriert zu werden. Die Antriebsachse wird damit quasi zu einem Teil des Fahrzeugorganismus.
Stromquelle Trailerachse
Eine interessante andere Anwendungsvariation kann die kompakte AxTrax-Hinterachse im Trailer übernehmen. Dort kann die elektrifizierte Achse beim Bremsen elektrische Energie durch Rekuperation zurückgewinnen und damit die Batterie des Zugfahrzeuges zusätzlich mit kostenloser Energie versorgen. Allerdings ist die Art der Rückführung von elektrischer Energie vom Trailer hinüber zur Zugmaschine noch nicht gesetzlich klar definiert.
Einen bereits eingeführte Elektroantriebsfamilie hört bei ZF auf den Namen CeTrax 2. Dabei handelt es sich um einen im konventionellen Antriebsstrang integrierten kompakten Elektroantrieb, der seine Leistung ganz klassisch an die Kardanwelle auf dem Weg zur konventionellen Hinterachse weitergibt. Diese Bauart ermöglicht den Einbau in bereits bestehende Fahrzeugkonzepte, ohne an der Antriebsachse konstruktiv Hand anlegen zu müssen, also eine einfachere Einbaulösung für unterschiedlichste Fahrzeuge. Bei der CeTrax 2 Dual kommen genauso wie beim AxTrax 2 Dual zwei E-Motoren mit einer Gesamtleistung von 380 kW zum Einsatz, bei denen die Leistung über ein automatisiertes Dreiganggetriebe weitergegeben wird. Beide ölgekühlten Hairpin-Elektroantriebe, im AxTrax ebenso wie im CeTrax, setzen auf 800-Volt-Stromversorgung.
Fazit: Fit für die Fracht
Mit den neu vorgestellten E-Antriebsachsen für den Nutzfahrzeugeinsatz komplettiert ZF sein seit 2016 kontinuierlich ausgebautes Portfolio an elektrischen Antrieben. Es reicht vom E-Antrieb im Elektro-Fahrrad bis hin zur Stromerzeugung in den gigantischen Windradgeneratoren. ZF spielt als weltweit führender System- und Komponentenhersteller in der Mobilität die erste Geige. Dr. Peter Leier, Vorstand der ZF-Nutzfahrzeugsparte sieht in den neuen Antriebstechniken einen fundamentalen Wandel: „Die Commercial Industry wird sich in den nächsten zehn Jahren mehr verändern als in den vergangenen 100 Jahren!“
Ganz weg vom klassischen Getriebebau kann und will man bei ZF freilich nicht. Denn auch in den kommenden Jahrzehnten werden weltweit genug Nutzfahrzeuge mit Verbrenner und Getriebe auf die Straße kommen. Dieses „alte Geschäft“, so Dr. Leier, werde sich nicht so schnell wandeln wie im Pkw-Bereich. Für die Zukunft hat er und seinen 168.000 Kollegen im ZF-Konzern auf jeden Fall die Weichen in Richtung Elektromobilität gestellt.